Donnerstag, 12. Mai 2016

"The Ranch": Ein Hauch von "Die wilden 70er" und stumpfe Gags im Hinterland | Staffel: 1

US / 2016 / FSK: 16 / 13 Episoden á 33 Minuten / Genre: Comedy, Drama / Bildrechte bei: Netflix


Ob Netflix womöglich ganz viel Feedback bekam, das ausdrücklich nach einer Sitcom in Country getränkter Atmosphäre gebeten hat? Oder sah man möglicherweise das riesige Potenzial, das sich inmitten der vereinigten Staaten in Kansas, Oklahoma, Texas und Co. tummelt? Dort lebt nämlich noch das Bürgertum, das den ‚American Dream‘ für sich ganz eigen interpretiert: Abseits vom ganzen Trubel seine eigene Farm besitzen, den ein oder anderen Whiskey exen und über die Demokraten schimpfen. Mit der neuen Sitcom „The Ranch“ dürfte man bei Menschen, die diesen Lebensstil pflegen und mögen, auf eine Menge Freude stoßen. Hier wird das Thema nämlich bis ins kleinste Detail zelebriert: Country-Song im Intro, teilweise sehr seichte Gags, die man angetrunken am besten versteht in der Mitte, etwas Hinterlandsdrama hier und da und ein Country-Song am Ende. Doch wie gut funktioniert das in Deutschland?

Ashton Kutcher spielt in „The Ranch“ Colt Bennett, einen gescheiterten halb-professionellen Footballspieler, der ohne richtigen Plan zu seiner Familie auf die Ranch nach Colorado zurückkehrt. Dort trifft er auf seinen Bruder Rooster (Danny Masterson) und seinen Vater Beau (Sam Elliott), den er seit 15 Jahren nicht mehr gesehen hat. Die von Debra Winger gespielte Mutter der zwei Brüder betreibt die örtliche Kneipe. Ab sofort heißt es: Mit dem Traktor auf den Landstraßen fahren, auf Hirsche schießen und Selbstgebranntes genießen.

Ein einfaches, für eine Sitcom typisches Setting. Doch an einer Schraube wurde gedreht: Man weicht von der klassischen 20-Minuten-Laufzeit ab und erweitert auf etwas über 30 Minuten. Ein Unterfangen, das dem klassischen Sitcom-Zuschauer Bauchschmerzen bereiten könnte. Sitcoms sind doch dafür da, wenn man etwas kurzes und knackiges haben möchte, verdammt! Doch alles halb so wild, hat man die Extrazeit doch äußerst positiv genutzt. So entstehen auch mal drei-minütige Gespräche, die gar nicht auf eine Pointe aus sind, sondern einfach mal eine sich echt anfühlende Situation geschehen lassen wollen. Dadurch entwickeln sich, auch wenn es selten ist, für das Format überraschend tiefgründige Szenen. Die sind aber auch bitter nötig, würde man in dem Strom flacher Südstaatengags und Stereotypen ansonsten hilfeschreiend ertrinken. Unfassbar penetrant werden da vor allem die flachen Obama-Gags, die im Zusammenspiel mit dem Al Gore-Bashing für ein genervtes Augenrollen bei einigen Menschen sorgen könnten. Das ist nicht nur schwache Satire, sondern vor allem „ein Haufen von Scheiße, der gemacht wurde, um sie an Republikaner zu verkaufen“, wenn ich mal ein Zitat, das ursprünglich in der Serie gegen die Klimaerwärmung gerichtet ist, umdichten dürfte. Aber gut, das Bürgertum, das dementsprechend anders denkt, ist dann einfach nicht die Zielgruppe.

Es gibt dennoch ein paar Argumente für „The Ranch“. So ist vor allem der Cast, den die ehemaligen „Two and a half Men“-Showrunner Don Reo und Jim Patterson herangekarrt haben, ein Lichtblick. Kutcher und Masterson, hier außerdem auch Executive Producer, treffen knapp 10 Jahren nach dem Ende von „Die wilden 70er“ wieder aufeinander und spielen die ähnlichen Rollen, wie sie es als Kelso und Hyde getan haben. Jetzt aber in erwachsen. Kutcher bleibt der liebenswürdige Idiot, der wie ein dauergeiles Zwergkaninchen jedem Wesen mit Brüsten hinterher rennt und gleichzeitig tiefer gehende Beziehungen lächelnd abschmettert, während Masterson wieder in seinen bittersüßen Sarkasmus einsteigt, der auf ein neues für das besondere Grinsen im Gesicht des Zuschauers sorgt.

Eine denkwürdige Szene, als sein geliebtes TV-Gerät kaputt geht und er schockiert verkündet, dass „Wasser, Unterkunft und Fernsehen“ die drei Grundbedürfnisse seien. Eine gar nicht so unzutreffende Aussage für eine heutige Welt, die ohne Bildschirm scheinbar gar nicht mehr kann. Doch die eigentlichen Highlights sind das hin- und hergerissene Elternpärchen bestehend aus Beau (Sam Elliott, Erzähler bei „The Big Lebowski“) und Maggie Bennett (Debra Winger, Oscarnominiert für „Ein Offizier und Gentleman“). Sie nutzen ihre Screentime, um das altbackene Sitcom-Gehabe, das um sie herum gedreht wird, vergessen zu lassen und hieven „The Ranch“ mit ihrer Genrefremde in ein chamantereres Licht, versprühen etwas Frisches. Ihre zweisamen, emotionalen Momente machen das gewisse Etwas des Ganzen aus. Die Randfiguren bleiben allesamt ihrem Klischee entsprechend, so gibt es mit Heather (Kelli Goss) das blonde Dorfflitchen und mit Elisha Cuthbert als Abby Colts alte High-School-Flamme, die nun so unerreichbar und doch so nah scheint. Frauenrollen also, die man schon zig mal gesehen hat. Mit tollen Gastauftritten wird man von dieser Mittelmäßigkeit aber gut abgelenkt. Goldwert war Jon Cryers Auftritt, der in Alan Harper-Manier als Darlehensberater und Ex-Football-Schiedsrichter in einer Szene in einen verbalen Schlagabtausch mit seinem Ex-„Two and a half Men“-Kollegen Kutcher kommt und damit für seltenes, richtiges Lachen sorgt.

Man möchte wegen den sympathischen Gesichtern mehr Lobpreisungen für „The Ranch“ einbauen, kann es mit seinem Gewissen aber einfach nicht vereinbaren. Es ist zwar schön, dass Netflix wie bei „Fuller House“ zur klassischen Multicamera-Comedy greift, um einen Flair vergangener Tag aufleben zu lassen, doch ist mir die auffällige Glorifizierung von Alkohol und Konservativen ein bisschen zu viel geworden. Dazu verlieren die Gagschreiber sich zu oft zwischen Sternstunde und "Öhm, okay"-Momenten. So treffen einige Lachflashs auf etwas öftere Totalausfälle. Das hinterlässt den Zuschauer dann leider ziemlich nüchtern. "The Ranch" ist somit wirklich nichts, das man gesehen haben sollte. Deshalb kann man diese Sitcom ohne Bedenken links liegen lassen und es so handhaben, wie Shooter Jennings und Lukas Nelson bereits so schön in dem Intro-Song sangen: „Mammas don’t let your babys grew up Cowboys“.
4.0/10

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